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#MeToo oder #NichtNachgedacht?

Das Thema ist längst in den deutschen Unternehmen angekommen. Und damit im Coaching.
Unser Fall: Peter*, 50, Abteilungsleiter. Peter arbeitet seit 15 Jahren in einem Unternehmen in der Modebranche. Durchschnittsalter 30 Jahre, hoher Frauenanteil. Flotte Sprüche gehör(t)en zur Kultur dazu. Mal frotzeln, Komplimente machen und necken – so war es doch immer. Oder …?

edited by Kerstin Kromer
Jahr 2019

Teil 1 unserer Mini-Serie zu #MeToo und Klärungsprozessen in Unternehmen: Wie aus einem flapsigen Kommentar ein #MeToo-Fall wird.

Aus heiterem Himmel

Eines Tages teilte der HR-Leiter ihm mit, dass eine junge Kollegin aus dem Nachbarbereich mit ihrer Führungskraft ein Gespräch gesucht hatte. Durch einen Kommentar aus der Kategorie „Frotzeln“ hatte sie sich im Rahmen eines Meetings von Peter diskriminiert gefühlt.

Das Unternehmen hat einen etablierten Prozess für derartige Fälle (laut einer Studie haben 23 Prozent der europäischen Arbeitgeber entsprechende Instrumente oder Untersuchungsverfahren eingeführt**). So wurde direkt Peters Führungskraft, die Compliance-Beauftrage und die Geschäftsführerin informiert – bevor Peter davon erfuhr.

Sie können sich vielleicht vorstellen, wie es in ihm aussah: Peter hatte einen #MeToo Fall ausgelöst. Er war am Boden zerstört, schämte und ärgerte sich. Fragte sich, wie es weitergehen soll, was die anderen von ihm denken. Wer noch alles davon weiß …

Die eigene Absicht und die Botschaft, die ankommt: Ein klarer Unterschied

In unserem Coaching wurde schnell sehr deutlich, dass es wirklich „nur“ ein Spruch und die dahinterliegende Grundhaltung eine wertschätzende und respektvolle ist. Dass es nie seine Absicht war, andere zu verletzen.

Gleichzeitig wurde ihm glasklar, dass derartige Sprüche ihre (lustig gemeinte) Wirkung gnadenlos verfehlen können. Dass sie – je nach Interpretation, Verfassung, Persönlichkeit, Erfahrung und Kontext – auf das Gegenüber äußerst verletzend wirken können. Dass insbesondere Hierarchie- und Altersunterschiede zum Verfehlen der Wirkung beitragen können. Wir wissen beispielsweise nicht: Hätte sich die junge Mitarbeiterin auch diskriminiert gefühlt, wenn ein gleichaltriger Team-Kollege dieselbe Bemerkung gemacht hätte?

Für den Sender werden Äußerungen oft erst dann brenzlig, wenn der Empfänger sie negativ bewertet.

Flapsige, unüberlegte Kommentare, gerade vor dem Hintergrund der #MeToo Diskussion, können einen unternehmensinternen Prozess auslösen, der zumindest in Peters Fall von keiner Seite so beabsichtigt war.

Jegliche Äußerung oder Handlung wird erst dann brenzlig für den Sender, wenn der Empfänger sie negativ bewertet. Und manchmal erfolgt die negative Bewertung ohne die entsprechende Absicht beim Sender. Das hat keiner von uns in der Hand.

Umfragen belegen, dass in deutschen Unternehmen längst nicht sämtliche Vorfälle dieser Art angesprochen werden. Oder gar zur Anzeige gebracht. Das ist vermutlich noch ein langer Prozess, in dessen Verlauf es immer Beispiele geben wird wie den Fall von Peter. Hier hatte der Sender eine ganz andere Absicht als von der Empfängerin vermutet.

In Zeiten von #MeToo ist allerdings klar: Das ist egal. Recht hat die Person, die sich belästigt fühlt. Ohne wenn und aber. Damit müssen (in den meisten Fällen) die Männer leben (lernen).

Der #MeToo Gedanke ist überfällig!

Frauen fühlen sich deutlich stärker ermutigt, „Nein“ zu sagen. Das empfinde ich als überfällig und absolut notwendig. Dass Unternehmen mit Prozessen wie hier beschrieben darauf reagieren, finde ich richtig und verständlich.

Mit Social Media und Arbeitnehmermarkt im Hintergrund tun Unternehmen alles, um solchen Fällen deutlich entgegenzutreten. Mit Auflagen, Ermahnungen und Abmahnungen, bis hin zu Kündigungen. Frauen werden sicher künftig noch viel genauer prüfen, ob Unternehmen entsprechende Prozesse etabliert haben.

Achtsamkeit durch Coaching

In der Zwischenzeit hat Peter mit der Kollegin gesprochen und sich offiziell entschuldigt. Er denkt mittlerweile intensiver darüber nach, in welcher Runde er was sagt. Er ist sich bewusst, dass er die Interpretation, die beim Gegenüber anlaufen, nicht beeinflussen kann. Außerdem kann er nicht einschätzen, auf welchen Nährboden seine Sprüche fallen.

Führungskräfte, die immer auch kulturprägend unterwegs sind, leisten einen wichtigen Beitrag zur Kulturveränderung.

Peters Erfahrung und ähnliche Fälle zeigen, dass Kulturveränderung in Organisationen auch auf dieser kommunikativen Ebene stattfinden kann und muss. Und dazu leistet Peter als Führungskraft, die kulturprägend unterwegs ist, einen wichtigen Beitrag. Er achtet viel stärker auf das, was er sagt. In ähnlichen Situationen nimmt er Kollegen zur Seite und mahnt zur Achtsamkeit.

In kleinen Schritten entsteht so, bisweilen mit Hilfe von Coaching, der Wandel, der dringend gebraucht wird. Unser Beispiel zeigt anschaulich, dass es in komplexen Strukturen kein „von jetzt auf gleich“ gibt. Es findet ein kontinuierliches Umdenken und Lernen statt – wenn die Bereitschaft dazu vorhanden ist.

*Name geändert
**Befragung der Kanzlei Littler von 800 europäischen Unternehmen im Sommer 2018

Die Autorin

Kerstin Kromer

Managing Consultant,
Executive Coach
ComTeam AG, Deutschland